Die Sonne verdunkeln gegen den Klimawandel – Rettung oder Risiko?
Solar Geoengineering wird Realität. In Großbritannien sind erste Freiluftversuche geplant, während in den USA bereits Start-ups mit der künstlichen Abkühlung der Erde experimentieren. Doch die Technologie bleibt umstritten – aus wissenschaftlicher, ökologischer und ethischer Sicht.[1]
Die Idee klingt wie aus einem Science-Fiction: Schwefelpartikel in die Stratosphäre tragen, um das Sonnenlicht abzuschwächen, um so die globale Temperatur zu senken. Unter dem Begriff Solar Geoengineering, insbesondere der Methode der Stratosphärischen Aerosolinjektion (SAI), wird genau daran weltweit geforscht. In Großbritannien fördert die staatliche Forschungsagentur Advanced Research and Invention Agency (Aria) nun als erste Behörde Europas geplante Experimente im Freien mit rund 57 Millionen US-Dollar.[2]
Sie wollen herausfinden, ob sich das Erdklima technisch gezielt beeinflussen lässt und wie sich potenzielle Nebenwirkungen kontrollieren ließen. Kritiker*innen sehen darin ein riskantes Spiel mit einem hochkomplexen System.[3]
Was ist Solar Geoengineering?
Beim Solar Geoengineering sollen gezielt technische Maßnahmen getroffen werden, um einen Teil der Sonneneinstrahlung zu reflektieren und so die Erderwärmung abzuschwächen. Im Fall der SAI werden Schwefelpartikel in mehr als 20 Kilometer Höhe in der Atmosphäre verteilt. Dort bilden sie eine reflektierende Schicht, die das Sonnenlicht teilweise zurück ins All lenkt.[4]
Risiken und Nebenwirkungen
Eine Solar Radiation Modification (SRM) bezeichnet Maßnahmen der Reduktion von Sonneneinstrahlung auf die Erde, um eine Erderwärmung abzuschwächen. SRM trägt dabei erhebliche Risiken[5]:
- Termination Shock: Ein plötzlicher Abbruch könnte zu einem abrupten Temperaturanstieg mit katastrophalen Folgen führen.
- Ungleichmäßige Effekte: Die Wirkung wäre regional sehr unterschiedlich, mit möglichen Störungen globaler Niederschlagsmuster (z. B. Monsun).
- Große Unsicherheiten: Klimamodelle sind naturgemäß unsicher, Freilandexperimente liefern dazu keine sicheren Erkenntnisse.
- Irreversibilität: Das ursprüngliche Klima lässt sich nicht wiederherstellen – es würde ein neues, unvorhersehbares Klima entstehen.
Forschung unter Beobachtung
Trotz der Risiken gibt es nicht nur in Großbritannien Forschung zu dem Thema. In den USA ist das Thema bisher kaum reguliert. Das ermöglicht privaten Akteuren wie dem Start-up Make Sunsets Experimente in Eigenregie. Das Unternehmen verkauft sogenannte Kühlungszertifikate und setzt Schwefelpartikel mithilfe von Wetterballons frei – eine Methode, die von der Wissenschaft bislang kritisch bewertet wird. Studien zufolge sind die tatsächlichen Effekte solcher Kompensationen schwer messbar und oft unwirksam.[6]
Das Umweltbundesamt oder Rechtsexperten wie Alexander Proelss von der Universität Hamburg warnen vor den geopolitischen Implikationen. Denn schon kleine, einseitige Eingriffe könnten grenzüberschreitende Folgen haben und internationale Konflikte auslösen. Umso wichtiger seien verbindliche Regeln und internationale Abkommen, um die Forschung verantwortungsvoll zu gestalten.[7]
Internationale Kritik und politische Forderungen
Mehr als 500 Wissenschaftler*innen aus rund 60 Ländern haben in einem offenen Brief ein weltweites Verbot von Solar Geoengineering gefordert. Auch ein Expertengremium, das im Auftrag der EU-Kommission einen Bericht zu diesem Thema erstellt hat, warnt vor einer gefährlichen Ablenkung vom eigentlichen Ziel – der Reduktion von Treibhausgasen.[8]
Das Umweltbundesamt lehnt den Einsatz, sowie die technische Entwicklung von SRM vollkommen ab. Es wird auch nicht als zukünftige Notfalloption oder Übergangstechnologie betrachtet.[9]
Die Technologie bekämpfe lediglich die Symptome des Klimawandels, nicht seine Ursachen. Solange Emissionen weiter steigen, könne auch Solar Geoengineering langfristig keine nachhaltige Lösung bieten. Zudem bestehe die Gefahr, dass Staaten oder einflussreiche Einzelpersonen die Technologie für eigene Zwecke nutzen.[10]
Im Rahmen des Wissenschaftsgipfels diskutierten Regierungsvertreter*innen aus aller Welt in einem Panel über die Notwendigkeit einer effektiven und restriktiven globalen Regulierung von solarer Geoengineering-Technologie. Dabei wurden auch aktuelle politische Entwicklungen aufgegriffen, insbesondere die umstrittene Resolution der UNEA-6 (6. Umweltversammlung der Vereinten Nationen), die sich mit der potenziellen Rolle von Solar Geoengineering im Klimaschutz befasste.[11]
Attraktive Vorteile von Solar Geoengineering
Trotz der Kritik von Wissenschaftler*innen wird die Forschung von Solar Geoengineering nicht eingestellt. Natürlich nicht – wenn diese SRM-Methode attraktive Ansätze mit sich bringt.[12]
Sulfate sind kostengünstig und kommen in großen Mengen auf unserem Planeten vor. Bei einem Vulkanausbruch werden diese Aerosole auf natürliche Weise in die Atmosphäre getragen. Der Ausbruch des Vulkans Pinatubo von 1991, welcher 20 Millionen Tonnen Sulfate ausstieß, konnte im folgenden Jahr die Durchschnittstemperatur um etwa 0,5 Grad global senken.[13]
Außerdem wäre eine technische Umsetzung des Solar Geoengineering keine große Herausforderung. Mit Militärflugzeugen könne die nötige Höhe erreicht werden und eine entsprechende Flotte aus „Sulfat-Fliegern“ könnte eingerichtet werden. Eine solche Flotte könne, laut Wake Smith, innerhalb weniger Jahre gebaut werden.[14]
Laut Modellrechnungen kann die Abschirmung der Erde von ein bis zwei Prozent der Sonnenstrahlung, bei einem geplanten SRM-Einsatz, die Effekte von zwei Jahrhunderten fossiler Energien kompensieren.[15]
Schlussfolgerung: Forschung ja – aber mit Vorsicht
Wissenschaftler*innen sind sich einig – Solar Geoengineering sei eine kurzfristige Lösung, die Langzeitfolgen können aber verheerend sein. Die Vorteile sprechen eigentlich für sich, eine kostengünstige Lösung, die verlockende Emissionen kompensieren würden. Aber die Nachteile und die Ungewissheit übertreffen dennoch. Kurzfristig könnten wir womöglich die Symptome des Klimawandels lindern, aber für nachfolgende Generation vermutlich nur noch weiter verschlimmern. Die Forschung bietet stetig neue Erkenntnisse und auch Hoffnung für uns, aber der aktuelle Stand des Solar Geoengineering spricht noch nicht für eine Rettung des Klimawandels.
[1] Solar-Geoengineering: Die Sonne verdunkeln – Lösung oder Risiko?
[2] https://www.aria.org.uk/about-aria/
[3] Solar-Geoengineering: Die Sonne verdunkeln – Lösung oder Risiko?
[4] https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/internationale-klimapolitik/geoengineering#srm
[5] https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/internationale-klimapolitik/geoengineering#srm
[6] Solar-Geoengineering: Die Sonne verdunkeln – Lösung oder Risiko?
[7] Solar-Geoengineering: Die Sonne verdunkeln – Lösung oder Risiko?
[8] Solar-Geoengineering: Die Sonne verdunkeln – Lösung oder Risiko?
[9] https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/internationale-klimapolitik/geoengineering#srm
[10] Solar-Geoengineering: Die Sonne verdunkeln – Lösung oder Risiko?
[11] https://www.boell.de/de/2024/10/31/un-wissenschaftsgipfel-laender-fordern-den-verzicht-auf-solares-geoengineering
[12] https://www.klimareporter.de/technik/solar-geoengineering-die-perfekte-loesung-fuer-eine-perfekte-welt
[13] https://www.klimareporter.de/technik/solar-geoengineering-die-perfekte-loesung-fuer-eine-perfekte-welt
[14] https://www.klimareporter.de/technik/solar-geoengineering-die-perfekte-loesung-fuer-eine-perfekte-welt
[15] https://www.klimareporter.de/technik/solar-geoengineering-die-perfekte-loesung-fuer-eine-perfekte-welt