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04.05.2022Marius Göbel, PRIO1-Praktikant

Wie wir mit Biomassefarmen den Klimawandel stoppen

Wollen wir das 1,5°C-Ziel einhalten und die globale Klimakrise bewältigen, müssen wir mehr tun, als nur unsere Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Zusätzlich brauchen wir auch negative Emissionen. Was negative Emissionen sind und wieso Weiden und andere schnellwachsende Gehölze bei der Bewältigung der Klimakrise helfen können, erfahrt ihr im folgenden Blogbeitrag.

Als Negative-Emissionen-Technologien (NET) bezeichnet man alle Verfahren, die darauf abzielen, der Atmosphäre CO2 zu entziehen und so die CO2-Konzentration in der Atmosphäre zu senken.1 Negative Emissionen sind also Emissionen, die nicht in die Atmosphäre ausgestoßen, sondern dieser entzogen werden. Ein Blick auf den aktuellen Stand der Wissenschaft zeigt die Bedeutung dieser Technologien. Dort geht man nämlich davon aus, dass sich das 1,5°C und auch das 2°C-Ziel sehr wahrscheinlich nur mit ihrer Hilfe überhaupt einhalten lassen. Neben verschiedenen technischen Verfahren zur CO2-Entnahme aus der Luft und der anschließenden unterirdischen Lagerung (Carbon Capture Storage CCS-Technologien) gibt es aber auch andere Möglichkeiten, um negative Emissionen zu erzielen. Denn die oben genannten Technologien sind oftmals sehr energie- und kostenintensiv und sind mit enormen Unsicherheiten und Risiken für Ökosysteme verbunden.

Ein Beispiel für alternative Wege, negative Emissionen zu erzielen, sind so genannte Biomassefarmen, im englischen bioenergy plantations. Verbunden mit Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO2 spricht man dann von „bioenergy plantations (BPs) with subsequent carbon capture and storage (BECCS)“.1 Was zunächst einmal kompliziert klingt, ist eigentlich recht simpel. Biomassefarmen sind Plantagen schnell wachsender Pflanzen. Welche genau verwendet werden, hängt von der Klimazone ab; hier in Mitteleuropa wird man vor allem auf Weiden und Pappeln setzen. Diese erfüllen die Bedingung schnellen Wachstums und sind darüber hinaus kälteunempfindlich was eine ganzjährige Nutzung über mehrere Jahre hinweg ermöglicht.

Inwiefern wird dadurch der Atmosphäre CO2 entzogen?
Bis auf wenige Ausnahmen betreiben alle Pflanzen Photosynthese. Während dieses Vorgangs stellen die Pflanzen aus Wasser (H2O) und Kohlenstoffdioxid (CO2) einen Zucker namens Glucose (C6H12O6) her. Dieser dient den Pflanzen als Grundstoff für die Bildung weiterer Verbindungen wie Zellulose. Man spricht hier auch vom Aufbau von Biomasse, also dem Wachstum der Stoffmasse der Pflanzen. Die Pflanzen entziehen hier der Atmosphäre zunächst Kohlenstoff in Form von CO2 und speichern diesen anschließend in Form von Pflanzenfasern in sich.

Wieso spricht man von Biomasse-FARMEN? 
Weil man sich dieses geniale Prinzip der Natur zu Nutze macht und in großem Maßstab anwendet.
Hat man ausreichend große Flächen bepflanzt und einige Zeit wachsen lassen, werden die Pflanzen, und damit die Biomasse, abgeerntet. Das hat zwei Gründe: Zum einen wird nur dann weiter CO2 gespeichert, wenn die Netto-Biomasse der Pflanzen weiter zunimmt, sie also weiterwachsen.Zum anderen können die geernteten Pflanzen zur Energieerzeugung verbrannt oder in Bio-Kraftstoffe umgewandelt werden.
Entscheidet man sich dafür, die Biomasse zu verbrennen, gilt es, das CO2 aus den Abgasen herauszufiltern und anschließend zu speichern. Auch hierbei handelt es sich also um eine Form von CCS (Carbon Capture and Storage). Gegenüber den konventionellen CCS-Technologien, die CO2 unter großem Energieaufwand aus der Atmosphäre filtern, hat dieser Weg aber zwei entscheidende Vorteile. 

Welche Vorteile gibt es?
Erstens lässt sich mit der Biomasse noch Energie erzeugen. Zweitens ist das Auffangen und Lagern von CO2 nach dem Verbrennen von Biomasse günstiger als eine direkte Entnahme aus der Atmosphäre, weil es in den Abgasen der Verbrennung bereits hochkonzentriert ist.
Darüber hinaus ist das BECSS-Verfahren, also die Kombination von Biomasse-Plantagen und Carbon Capture and Storage-Technologien effizienter in der Landnutzung als dauerhaft Wiederaufforstung zu betreiben.2

Welche Nachteile oder Herausforderungen gibt es?
Um einen spürbaren Einfluss auf die CO2-Konzentration in unserer Atmosphäre haben zu können, müssen Biomasse-Farmen auf riesigen Flächen angelegt werden. Angesichts steigender Bevölkerungszahlen bei einer gleichzeitigen Abnahme der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche, sind hier also Landnutzungskonflikte zu erwarten. Um Landnutzungskonflikte zu reduzieren, ist die Anlage von BECCS an marginalen Standorten, also landwirtschaftlich ungeeigneten Standorten denkbar. Diese geht aber oft mit künstlicher Bewässerung und einem hohen Wasserverbrauch einher.
Um sicherzustellen, dass die Plantagen auf möglichst kleinem Raum möglichst produktiv sind, muss zudem gedüngt werden, was wiederum mit negativen Auswirkungen auf Ökosysteme verbunden ist.

Zukunftsausblick
Wie stark wir in Zukunft auf Biomassefarmen mit anschließender CO2 Abscheidung und Speicherung (BECCS) setzen werden, hängt neben politischen Entscheidungen auch von ökonomischen Faktoren ab. Denn es gilt: Je strikter die Klimaziele werden, desto mehr lohnen sich Biomassefarmen zur Energieerzeugung.

Empfehlungen zum Abschluss
Ihr habt für das Thema Feuer gefangen und wollt mehr wissen?
Sucht einfach mal Google Scholar (wissenschaftl. Suchmaschine) nach bioenergy plantations. Viele der Forschungsartikel sind frei verfügbar, auf andere wiederum lässt sich zugreifen, wenn ihr euch über eure Hochschule oder Universität anmeldet. Hier sind ein paar gute Artikel, die ich gefunden habe:

Hier geht es um das CO2-Speicherpotential von Weiden-Biomassefarmen:
https://bsssjournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/j.1475-2743.2002.tb00237.x

Dieser Artikel berichtet über den Wasserbedarf von Biomassefarmen:
https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/ab2b4b/meta

Dieser Artikel vergleicht Biomassefarmen mit anderen Formen der Kohlenstoffspeicherung:
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0961953409001871 

(1)Stenzel, F. et al. (2019). Freshwater requirements of large-scale bioenergy plantations for limiting global warming to 1.5 °C. Environmental Research Letters (Volume 14, Number 8).
(2)Nissim, W. G., Pitre, F. E., Teodorescru, T. I., & Labrecque, M. (2013). Long-term biomass productivity of willow bioenergy plantations maintained in southern Quebec, Canada. Biomass and Bioenergy (Volume 56), S. 361-369.
(3)Hedenus, F., & Azar, C. (2009). Bioenergy plantations or long-term carbon sinks? – A model based analysis. Biomass and Bioenergy (Volume 33), S. 1693-1702.

Marius Göbel, PRIO1-Praktikant

Marius machte das Pflichtpraktikum seines Bachelorstudiums „Umweltbildung“ von März bis Juli im Projektteam von PRIO1. Teil der Community und des Planungsteam ist er jedoch schon seit Beginn des Projekts und ist auch nach Ende seines Praktikums noch fleißig hinter den Kulissen.

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